Barbara Assheuer
Diesen Nachruf habe ich für meine Freundin Ursula geschrieben. Er ist auf der Webseite der Heinrich-Böll-Stiftung www.boell.de veröffentlicht.
Ursula Hudson, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, ist gestorben. Sie war Verbündete, Wegbereiterin, Inspiratorin und Freundin
Was auf den Teller kommt, ist politisch.
Mit Ursula Hudsons Eintritt in den Vorstand von Slow Food Deutschland 2010 begann eine Zeitenwende für die Slow-Food-Bewegung – in Deutschland sowie international. Essen war auf einmal politisch. Nicht mehr nur reiner Genuss und Tafelfreude. Ursulas zentrales Anliegen war nichts weniger als die Veränderung unseres Ernährungssystems – hin zu Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit.
Lebensmittel und Essen standen für sie in einem größeren politischen, kulturellen und gesellschaftlichen sowie ökologischen Zusammenhang. Entsprechend groß war für sie das Potenzial, über die Art unserer Ernährung Veränderung zu bewirken. Über unsere eigenen Probleme im reichen Norden hat sie die internationale Gerechtigkeit und den globalen Süden mit seiner weitaus größeren Verletzbarkeit mit in den Blick genommen.
Ernährung sollte dem bewährten Dreiklang von Slow Food gut, sauber und fair entsprechen, denn Lebensmittel haben eine „innere ethische Qualität“. Der gesamte Herstellungsprozess wird betrachtet, vom Feld bis zum Teller. So waren Lebensmittel für Ursula alles andere als reine Wirtschaftswaren, die wie totes Gut in einer Fabrik produziert werden. Sie wollte wissen, woher das Essen kommt, wer es angebaut oder gezüchtet hat, wie es verarbeitet wurde und wie die Arbeitsbedingungen waren.
Für Ursula standen die Menschen, die uns mit guten Lebensmitteln versorgen, im Mittelpunkt. An ihnen, ihrem Können und ihrem Wissen war sie leidenschaftlich interessiert. Produktion und Konsum sollten sozial, ökologisch und ethisch vertretbar sein und der Menschheit nicht die Lebensgrundlagen entziehen. Denn das war für Ursula der große Rahmen ihrer Arbeit: Der Mensch kann nur gesund sein, wenn auch der Planet gesund ist.
Ursula machte erfahrbar, dass gute Lebensmittel nicht nur Freude bereiten, sondern große Beziehungsstifter sind. Sie setzen uns in Beziehung, mit uns selbst, mit anderen Menschen, ihren Lebensweisen, ihrer Kulinarik, mit der Umwelt, der Natur, den Tieren, den Pflanzen, der Landschaft, dem Boden, dem Wasser, dem Klima und vielem mehr.
Dafür setzte sie sich ein und kämpfte mit Leidenschaft und scharfem Intellekt für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem. Sie nahm die Verbraucher*innen in ihrem Alltagshandeln als politische Akteur*innen mit in die Verantwortung. Das tat sie voller Charme und Begeisterungsfähigkeit. Zugleich war ihr klar: Eine Systemveränderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und diese kann ohne die richtigen Weichenstellungen durch die Politik nicht gelingen.
Gegen den Krebs hat sie lange erfolgreich gekämpft, es waren die Krebsmedikamente, die ihr Körper nicht mehr verkraften konnte. Am 10. Juli ist sie gestorben.
Barbara Assheuer ist langjähriges aktives Mitglied von Slow Food Deutschland und
Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in der Abteilung Internationale Zusammenarbeit.