Standpunkte im Slow Food Magazin
Seit 2014 war Ursula Hudson in jeder Ausgabe des Slow Food Magazins mit einem Standpunkt vertreten. Sie nutze den Einseiter, um meinungsstark auf aktuelle Entwicklungen in der Ernährungswelt und der Gesellschaft allgemein zu blicken, (neue) Denkanstöße und Blickwinkel anzubieten. Ihr Wunsch war es, Leser*innen zu ermuntern, kritisch hinzuschauen, aufmerksam zu beobachten und mitzudenken. Slow-Food-Standpunkten verlieh sie dabei stets eine persönliche Note und Charme.
Landschaft schmecken - »Kulinarische Lebensmittel erhalten Kulturlandschaft.« SFM 04/2017
Haben Sie schon einmal Gemüse so richtig quer verkostet? Eine Kartoffelsorte in derselben Zubereitung, aber aus unterschiedlichen Böden? Wenn Ihnen wie mir im letzten Sommer bei einer Verkostung von Roter Bete aus verschiedenen Regionen dabei das Glück zuteilwurde, die geschmacklichen Unterschiede erspüren und erschmecken zu können, dann beantwortet sich die vielleicht etwas schräg anmutende Frage teilweise schon: »Was haben das Essen auf unserem Teller und die Landschaft miteinander zu tun?« Mir wurde dabei so erhellend klar: Wir können den Herkunftsort unserer Lebensmittel schmecken: den Boden und seine geologischen Eigenschaften, das spezifische Klima am Standort und damit auch die besonderen Charakteristika einer bestimmten Sorte auf unserem Gaumen.
Mehr Unkraut gegen das Bienensterben SFM 03/2017
Misstraue dem Ort, an dem kein Unkraut wächst. Dies ist eine alte Gärtnerweisheit. Sie stammt aus einer Zeit, in der das eingehegte Stückchen Land überwiegend der Selbstversorgung mit Obst, Gemüse und Schnittblumen diente. Man wusste damals zu unterscheiden. Zufällig Hergewehtes wie Giersch, Löwenzahn oder Gundermann (Soldatenpetersilie) galt als wohlschmeckende und gesunde Verlängerung des Speisezettels. Wildblumen wie Kamille, Ringelblume oder Wiesenschaumkraut fanden Eingang in die Hausapotheke. Die Betonung des Wörtchens »Unkraut« lag auf der zweiten Silbe.
Fleischesser und Vegetarier können voneinander lernen SFM 02/2017
Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Ihr Essen gegessen hat? Wenn ja, gehören Sie zu den sehr bewuss-ten Essern. Jene kleine, wenn auch stark wachsende Minderheit von Menschen, die sich dafür interessiert, woher das Lebens-mittel stammt, das sie auf dem Teller vor sich hat und was mit ihm auf dem Weg dorthin so alles geschah.
Unsere Heimat heißt Vielfalt! SFM 01/2017
»Rechte Ideologen haben schon immer versucht, den Heimatbegriff für sich zu vereinnahmen.«
Auf Palmöl verzichten! SFM 06/2016
»Essen gehört auf den Teller, nicht in den Tank.«
Der Weg in eine verschwendungsfreie Zukunft! SFM 05/2016
Am Rande der Olympischen Spiele in Rio fand eine bemerkenswerte Aktion statt: Der brasilianische Gastronom und Slow-Food-Aktivist David Hertz bekochte ein Woche lang die Einwohner eines Armenviertels von Rio – aus-schließlich aus den Lebensmittelresten des Olympischen Dorfes. Dabei halfen Hertz die Mitglieder seiner Organisation »Gast-romotiva«, die sich um benachteiligte Jugendliche aus den Favelas kümmert und sie zu Köchen ausbildet, sowie der italienische Stargastronom Massimo Bottura. Dies kluge und sehr medienwirksame Projekt machte weltweit Menschen auf das Problem des achtlosen Umgangs mit Lebensmitteln und deren ungerechte Verteilung aufmerksam.
Wir wollen Bäcker statt Aufbäcker! SFM 04/2016
Meine Familie blickt auf eine lange Ahnenreihe oberbayerischer Dorfbäcker zurück. Die Liebe zum Brot und Backhandwerk wurde mir großväterlicherseits in die Wiege gelegt. Der Duft der Backstube ist Teil meiner Kindheit. Dazu gehörte auch die Vorfreude, wenn die Mutter das frische Brot mit dem Messer auf der Unterseite zunächst mit einem Kreuz segnete, bevor sie den Laib gekonnt anschnitt.
Teurer Billigwahn »Die Kosten werden auf andere abgeschoben oder in die Zukunft verlagert.« SFM 03/2016
Deutschland gilt als wohlhabend und leidet dennoch unter einer besonderen Form der Armut: Die biologische Vielfalt nimmt ab, rund ein Drittel aller vorkommenden Arten stehen auf der Roten Liste und sind damit akut in ihrem Bestand gefährdet. Dies konstatiert das Bundesamt für Naturschutz in seinem »ArtenschutzReport 2015«.
Koffeinkick und Nachhaltigkeit - »Müll hat einen Namen: Nespresso!« SFM 02/2016
Die Deutschen trinken leidenschaftlich gern Kaffee, pro Kopf rund 150 Liter im Jahr. Das macht uns in puncto Kaffeekonsum zu einer der 20 Topnationen weltweit. Beim Tee rangieren wir mit 28 Litern pro Kopf dagegen eher unter ferner liefen – mit einer sehr auffälligen, regionalen Ausnahme: Die Ostfriesen sind mit 300 Litern seit Jahren die unangefoch-tenen Tee-Weltmeister. Haben Sie über einer Tasse »Ihres« Wachmachers schon einmal nachgedacht, welches Getränk nachhaltiger ist?
Über die Entfremdung von Mensch und Speise. SFM 01/2016
Slow Food hat ein Ziel. Wir wollen eine besondere kulturelle Kluft überwin-den. Es ist dies die »Entfremdung« des modernen Menschen von seiner Nahrung, seine Fremdbestimmung durch anonyme Produzenten und Händler, die selbstverschuldete und genussfeindliche Unmündigkeit in allem, was unser Essen und Trinken anbelangt. Diese Kluft empfinden wir Slow Food Bewegte als schmerzhaft, ist doch eigentlich nichts so unmittelbar wie unser täglich Brot. »Mit jedem Bissen wird es ein Teil von mir«, hat Slow Food Gründer Carlo Petrini in Anlehnung an Ludwig Feuerbach einmal formuliert.
Billiger Schokoladengenuss, teuer bezahlt SFM 06/2015
Die amerikanische Weltraumbe-hörde NASA lässt zwei ständige elektronische Beobachter um die Erde kreisen, die sich »Terra« und »Aqua« nennen. Die beiden Satelliten funken regelmäßig Daten über die Veränderungen in den weltweiten Ökosystemen, vieles davon nahezu in Echtzeit abrufbar im Internet. Was sie derzeit aus Indonesien berichten, ist niederschmetternd: Von Januar bis Ende Oktober zählten ihre Messapparate rund 120 000 einzelne Wald- und Torf-brände in dem Inselstaat. Schon jetzt sprechen Experten von der größten Brandkatastrophe dieses Jahrhunderts (siehe www.globalfiredata.org). Deren Ursache: Bauern auf Borneo oder Sumatra fackeln immer größere Teile des Regenwalds ab, um dort Palmöl-Plantagen zu errichten – mit absehbar desaströsen Folgen für das Weltklima.
Warum Fleisch nicht gleich Fleisch ist SFM 05/2015
Ich bin eine bekennende Fleischesserin. Eigentlich seitdem ich auf der Welt bin. Meine Großmutter erzählte, dass ich bei der Geburt ein rechtes »Mickerchen« war, so leicht und klein, dass ich umgehend getauft wurde, damit – falls etwas schief gehen sollte – die Himmelstür für das Neu-geborene schon einmal weit offen stand. Die Jenseitsversicherung tat nicht Not, ich blieb am Leben. Vielleicht weil meine Großmutter darauf bestand, dem zarten Geschöpf rohe geschabte Kalbsleber zu verabreichen, die ihm Kraft und Lebenswillen verleihen würden.
Kurze Wege & Qualität? Entscheiden Sie! SFM 04/2015
Die deutschen Einzelhändler haben den nächsten Verkaufsschlager im Sortiment: Regional ist das neue Bio! Denn: Immer mehr Kunden legen Wert darauf, dass ihre Lebensmittel aus der Heimat stammen oder zumindest einen regionalen Bezug haben. Laut dem »Ökobarometer 2013«, einer jährlichen Umfrage des Bundesministeriums für Landwirtschaft, bevorzugen beispiels-weise 92 Prozent aller Befragten Lebensmittel – egal ob aus konventionellem oder ökologischem Anbau – die aus der Region stammen.
Wie wir 2030 essen wollen SFM 03/2015
Alljährlich lässt lässt der Industriekonzern Nestlé in einer Umfrage die Essensvorlieben deutscher Verbraucher erforschen und publiziert die Ergebnisse dann unter großem Medienecho in einer Studie. Muss es verwundern, dass die Umfrage Jahr für Jahr die Marktstrategie nicht allein des Nestlé-Konzerns, sondern eigentlich des gesamten industrialisierten Lebensmittelsystems bestätigt?
Mehr Wertschätzung für Hühner & Eier! SFM 02/2015
Ich wollt ich wär ein Huhn, ich hätt nicht viel zu tun. Ich legte vormittags ein Ei und nachmittags wär ich frei«. So gackerten und trällerten sich Lilian Harvey und Willy Fritsch vor 80 Jahren durch den UfA-Kinohit »Glückskinder«. Die Screwball-Komödie spielt nicht auf dem Bauernhof, sondern in New York und das Traumpaar des damaligen deutschen Kinos muss sich darin unter anderem mit so modernen Problemen wie Erfolgsdruck und Karrieresorgen auseinandersetzen. Kaum vorstellbar, dass heute jemand die beschwerdefreie Alternative zur Lohnsklaverei ausgerechnet im Hühnerleben sähe. Zu sehr hat sich die Welt der gefiederten Haustiere seit den Dreißigern verändert und zu viel wissen wir darüber, als dass wir uns den Arbeitstag eines eierlegenden Huhnes herbeisehnten.
Suffizienz und der Trend zum »Slow Life« SFM 01/2015
»Weniger Konsum schont nicht nur Arten und Ressourcen, sondern führt auch zu mehr Lebensqualität.«
Essen und Kochen als Bildungsauftrag SFM 06/2014
Wie ernährt sich Europas Jugend? Vor drei Jahren kam eine umfassende Studie, die von Ernährungswissenschaftlern in zehn Ländern des Kontinents durchgeführt wurde, zu bestürzenden Ergebnissen. »Jeder dritte Junge und jedes fünfte Mädchen der untersuchten Altersgruppe zwischen 13 und 17 Jahren ist übergewichtig, sechs Prozent sind sogar fettsüchtig. Nur knapp jeder achte Junge und jedes sechste Mädchen in Europa verzehren täglich die von Fachleuten empfohlene Menge an Obst und Gemüse.«
Vielfalt statt Masse SFM 05/2014
»Handwerklich arbeitende Kleinbrauereien brauen gut, sauber und fair.«
Verantwortung von unten übernehmen SFM 04/2014
»Ökologische Landwirtschaft fördern? Nicht von der Großen Koalition!«
Länger frisch! »Was uns heute verkauft wird, hat wenig mit dem Ur-Lebensmittel zu tun.« SFM 03/2014
Milch – jetzt länger frisch!« Fühlen Sie sich bei diesem Werbeversprechen am Kühlregal auch so auf den Arm genommen? Frisch ist schließlich frisch. Länger gibt’s nicht. Was die Marketingmenschen, die uns diese schöne, neue Milch verkaufen wollen, tatsächlich meinen, ist natürlich: länger haltbar oder genießbar.