Fisch: Oberpfalz (2019)
Es war eine kleine Schlammschlacht. Für die Zuschauer eine vergnügliche und höchst interessante. Für die Fische nicht unbedingt. Erst recht nicht für den Teichwirt und seine Helfer, die mit hohem Tempo harte körperliche Arbeit verrichten mussten. „Abfischen“ hieß es am zweiten Novemberwochenende am großen Teich der Familie Bächer im oberpfälzischen Muckenthal. Vier Tonnen Fisch wollten gefangen, sortiert, in Transportbecken verteilt und in die Hälterung abtransportiert werden. Ein Kraftakt.
„Der Karpfen verzeiht vieles“
Die Sonne hatte die Schotten geschlossen und einem trüb-feuchten Novembertag Platz gemacht. Himmel und Wasser schimmerten im grauen Einheitslook und es war grimmig kalt am Teich des Fischhofs Bächer. Nur das Outfit der Fische sorgte für schöne Farbenspiele. Immer wieder stießen die Kescher ins Wasser, immer wieder zappelten vor allem Spiegel- und Schuppenkarpfen, aber auch Hechte, Zander, Schleien, Welse oder auch mal ein Rotauge auf dem Sortiertisch. Das vielhändige Bächerteam aus drei Generationen packte entschlossen zu und beförderte die Fische zuerst in bottichgroße Zwischenlager und anschließend in die größeren Transportbecken. Das musste zackig gehen, der Fisch darf nicht zu lange außerhalb seines Elements liegen. „Aber der Karpfen verzeiht uns vieles“, sagt Lena Bächer und es ist tatsächlich erstaunlich, wie lange es der Brot- und Butterfisch der Teichwirte außerhalb des Wassers aushalten kann.
Die Helfer haben schwarze Pocken
Wie fischt man einen großen Teich ab? Mit der Angel sicher nicht. Der Teich war über mehrere Tage abgelassen worden, wobei das Wasser von einem Teich in einen anderen geflossen war. „Wir haben Kettenteiche“, erklärt Fischwirtschaftsmeister Klaus Bächer das Konzept. Übrig geblieben bei der Entwässerung war ein schmaler Streifen mit knietiefem Wasserstand, in dem sich Tausende Fische der gesamten Teichbesatzung unter großem Gewusel konzentrierten. Jetzt immer wieder das Netz auswerfen und die Fische in Richtung Sortiertisch ziehen, wo das Bächerteam schon auf Beute wartet. Alle Helfer sind schwarz gesprenkelt von den Spritzern der Fische, die vom Teichgrund reichlich Schlamm mitbringen. Zum Gesichtabwischen bleibt keine Zeit, der Sortiertisch ist immer wieder zappelvoll.
Am nächsten Tag schwimmen alle Fische, nach Art getrennt, in separaten Hälterungsbecken, als wäre nichts geschehen. Und die Bächers erklären geduldig den 50 angereisten Fischnarrischen aus allen Slow-Food-Ecken der Republik, wie so ein Teich funktioniert. Zuerst das Futter: Rotaugen-, Rotfedern-, Brachsen- und andere Futterfisch-Brut wird in den Teich eingebracht, um die Raubfische wie Zander oder Hecht zu ernähren. Der Karpfen ist friedlicher. Er kann als robuster Allesfresser sogar pflanzliche Stärke verdauen. Meist arbeitet er den Boden durch und frisst kleine Larven, Würmer, Muscheln, Schnecken – was der Teich so alles hergibt. Karpfen brauchen eigentlich keine Zufütterung. Um ihr Wachstum zu beschleunigen, bekommen sie in den Bächerteichen etwa die Hälfte ihres Futters von außen. Die Jungfische aller Arten fressen Zooplankton, das sind einzellige Tierchen und andere Kleinstorganismen, die im Teich herumschwimmen. Um das Plankton zu stimulieren, wird ein wenig Stroh in die Teiche ausgebracht.
Schlangen, Unken, Feuersalamander
Die Oberpfalz gilt als Zentrum der deutschen Teichwirtschaft. Die ist nicht nur unterhalb des Wasserspiegels ein Hotspot der biologischen Vielfalt. An den Bächerteichen leben auf und neben dem Wasser etwa zehn Füchse, dazu Kreuzottern, Gelbbauchunken, Feuersalamander, Moorfrösche, Haubentaucher, Blesshühner, massenhaft Libellen, Falter und viele andere Tiere. Bei den Rote-Liste-Arten böten die Teiche sogar eine größere Vielfalt als die Flussauen, sagt Martin Oberle, Karpfenexperte der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Natürlich kommen auch Fischotter, Fischreiher und Kormorane an den gut gedeckten Tisch. Für den Kormoran gibt es seit 12 Jahren eine Abschusserlaubnis. „Wir müssen vor allem die Spähvögel erwischen“, erklärt Teichwirt Bächer. Die Späher würden als Erkundungstrupp vorgeschickt, um die Lage zu peilen. Bei entsprechend positiver Rückmeldung können dann schon mal mehr als 100 Kormorane einfallen und den Teich plündern. Inzwischen ist ein Ranger angestellt, der die verschiedenen Fischräuber verjagen soll. Das größte Problem ist derzeit offenbar der Fischotter. Lena Bächer spricht von einer „massiven Vermehrung“ des Otters, der sich in einer Nacht bis zu 30 Fische schnappe. Die Teichwirte können nur zuschauen, eine Bejagung des lange bedrohten Otters ist verboten.
Karpfenteiche im Dürresommer
Und wie sind die Teiche durch den zweiten Dürresommer hintereinander gekommen? Erstaunlich gut, heißt es. Der Karpfen liebe die Wärme, „der freut sich über den Klimawandel“, sagt Klaus Bächer. Andere Teiche an Standorten mit weniger Wasser hätten aber gelitten, teilweise mussten sogar Noternten eingeleitet werden. Wasser sparen und Wasser auffangen wird zu einem immer wichtigeren Thema an den Teichen. Welche Bedeutung die Teichwirtschaften in der Oberpfalz und an anderen Standorten haben, machte Martin Oberle noch einmal klar. Er spricht von einem „weltweit einzigartigen Kulturgut“. Die Karpfen in den Hälterungsbecken, heißt es, hätten heftig applaudiert.
Einige konnten nicht mehr mitklatschen, sie waren auf den feinen Fischtellern gelandet, die den Besuchern der Slow-Food-Wurzeltour im Fischstüberl serviert wurden. Wurzeltour meint: Augen auf und zurück zu den Wurzeln der Lebensmittelproduktion.
Text: Manfred Kriener
Weitere Fotos:
Kleine Schlammschlacht: Der Greifarm hievt die Fische ins Transportbecken
Verdreckt, aber happy: die Bächer-Sisters Paula, Sophia, Lena:
Teichwirt Klaus Bächer bei der Arbeit