Forderungen zur Bundestagswahl 2025

Folgende Forderungen* richtet Slow Food Deutschland im Bereich Ernährung und Landwirtschaft an die neue Bundesregierung:

1. Schafft eine integrierte Ernährungspolitik!

Es braucht eine konsequente Umsetzung der Ernährungsstrategie, die Gewährleistung sozialer Teilhabe an gesunder, ökologisch und sozial verantwortlicher Ernährung sowie die Förderung von Ernährungsbildung, u.a. durch die Schaffung von Lernorten und nachhaltigen Ernährungsumgebungen.

2. Nehmt eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz ein!

Die intensive Landnutzung verursacht etwa ein Viertel der klimarelevanten Treibhausgasemissionen und sorgt für eine zunehmende Degradation der Böden. Große Unternehmen der Fleisch- und Milchindustrie, Mineralöl- und Düngemittelkonzerne und die Lebensmittelindustrie profitieren von fehlenden Klimaschutzgesetzen. Massentierhaltung und die Produktion von Düngemitteln leisten einen erheblichen Beitrag zur Klimakrise, insbesondere durch die Emission klimaschädlicher Gase wie Methan und Lachgas. Gleichzeitig weicht für den Futtermittelanbau zunehmend wertvoller Wald, der als grüne Lunge unseres Planeten unverzichtbar ist. Die Landwirtschaft bietet großes Potenzial für den Klimaschutz, indem sie klimaschädliche Emissionen senkt und gleichzeitig Kohlendioxid speichert. Insbesondere gesunde Böden spielen eine Schlüsselrolle, da sie ein Vielfaches mehr Kohlenstoff aufnehmen können als Pflanzen. Eine ökologische und auf Regeneration der Ressourcen bedachte Landwirtschaft muss künftig Biodiversität, Klima, Wasser und Bodenfruchtbarkeit schützen. Um den Herausforderungen heutiger und zukünftiger Generationen zu begegnen, brauchen wir Klimagerechtigkeit. Dafür sollte die Erzeugung von Lebensmitteln auf eine regenerative und klimapositive Kreislaufwirtschaft umgestellt und  verstärkt auf den regionalen Bedarf ausgerichtet werden. Die Land- und Ernährungswirtschaft für klimaschädliche Emissionen muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette in die Pflicht genommen werden. Klimaschutz muss mehr gefördert werden, insbesondere für eine standortangepasste Landwirtschaft, eine pflanzenbasierte Ernährung und regionale Wertschöpfungsnetzwerke.

3. Schafft und schützt die Diversität auf unseren Feldern

Die Industrialisierung unseres Lebensmittelsystems und die Privatisierung von Saatgut haben dazu geführt, dass es immer weniger samenfestes - also weiter vermehrbares - Saatgut gibt. Um den klimatischen Veränderungen zu begegnen, braucht es vielfältige und widerstandsfähige Sorten. Die Marktmacht einiger weniger Akteure des weltweiten Saatguthandels steigt. Der eingeschränkte Zugang zu Saatgut behindert die Züchtung und schafft weltweite Abhängigkeiten für Landwirt*innen. Wenn die Konzerne ihre Pläne zur Abschaffung der Gentechnik-Regeln durchsetzen, würde dies die bestehenden Probleme erheblich verschärfen. Das Resultat wäre eine noch größere Einbuße an Vielfalt auf den Feldern und in unserer Ernährung. Welche Pflanzen künftig gezüchtet, angebaut und geerntet werden, muss im Interesse der Gesellschaft und der zukünftigen Generationen entschieden werden. Es benötigt Verbote für die Patentierung von Pflanzen, den Schutz der Saatgutsouveränität von Bäuer*innen weltweit sowie die Förderung der ökologischen, standortspezifischen Züchtung von Pflanzen und der Saatgutvermehrung und einen Stopp der Deregulierung von neuen Gentechniken.

4. Sorgt für mehr Artenvielfalt und weniger Pestizideinsatz

Ein Drittel aller Insektenarten ist weltweit vom Aussterben bedroht. Der dramatische Rückgang hat bereits Auswirkungen auf die Landwirtschaft, wo die fehlenden Bestäuber zu Ernteeinbußen führen. Doch während die Natur und die Landwirtschaft unter der Abnahme der Biodiversität leiden, profitieren deutsche Unternehmen weiterhin massiv vom Export mit Pestizidwirkstoffen, die in der EU verboten sind in Drittstaaten. Dieser Export gefährlicher Stoffe setzt Menschen und Umwelt in anderen Teilen der Welt erheblichen Risiken aus und verstärkt die globale Biodiversitätskrise. Die Folgen sind weitreichend: Mit dem fortschreitenden Artensterben und dem Verlust genetischer Vielfalt wird die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme geschwächt, was die Stabilität unserer Ernährungssysteme gefährdet. Diese Krise könnte langfristig die Auswirkungen des Klimawandels übertreffen. Es ist daher essenziell, das Artensterben weltweit zu stoppen und in der Landwirtschaft Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität finanziell zu unterstützen. Ein wichtiger Hebel ist die drastische Reduktion des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden. Dabei müssen Landwirt*innen durch Beratung und finanzielle Anreize unterstützt werden, um den entstehenden Mehraufwand zu kompensieren. Ein Glyphosatverbot und der Ausstieg aus besonders schädlichen Pestiziden sind unverzichtbar, um die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu schützen. Gleichzeitig müssen Doppelstandards abgebaut werden: Der Export von in der EU verbotenen Pestiziden gehört gestoppt. Ein weiterer zentraler Schritt ist die Anwendung des Verursacherprinzips. Die Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden, die durch den Einsatz gefährlicher Pestizide entstehen, dürfen nicht länger auf Landwirt*innen und die Gesellschaft abgewälzt werden. Stattdessen müssen die Pestizidkonzerne zur Verantwortung gezogen werden und die Folgekosten tragen. Nur durch entschlossenes Handeln auf allen Ebenen können wir den Rückgang der Biodiversität aufhalten und die Grundlagen unseres Lebensmittelsystems langfristig sichern.

5. Gewährleistet Gesundheit und Wohlergehen von Nutztieren!

Ein System mit Hochleistungszucht, industrieller Haltung und Fütterung sowie exportorientierter Fleisch- und Milcherzeugung nimmt Leid und Krankheit von Tieren in Kauf und treibt die Klimakrise an. Es widerspricht dem rechtlichen und moralischen Gebot der Achtung von Tieren sowie dem Wunsch einer wachsenden Mehrheit der deutschen Verbraucher*innen. Tiergesundheit kann nur mit einer echten Ernährungswende erreicht werden. Das gemeinsame Ziel ist eine Landwirtschaft, die das Tierwohl in den Mittelpunkt stellt und durch zahlreiche vielfältige Betriebe eine zuverlässige Lebensmittelversorgung gewährleistet. Es braucht eine Neuausrichtung von Zuchtzielen auf Tiergesundheit, ein Verbot von Qualzüchtungen sowie eine artgerechte, flächengebundene Tierhaltung mit weitest möglicher Weidehaltung im Rahmen einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für die regionale Erzeugung. Als Beispiel für eine positive Förderung seien hier die Zweinutzungsrassen von Milchkühen und Legehennen genannt. Wir fordern den Einsatz von EU-Agrarsubventionen und eine Verankerung im Bundeshaushalt für den Umbau der Tierhaltung und damit verbundene Forschung sowie die Unterstützung des Umbaus durch eine Abgabe auf tierische Produkte und weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Konsums.

6. Verhindert Lebensmittelverschwendung und -verluste entlang der gesamten Wertschöpfungskette!

Verluste entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Lebensmitteln - vom Acker bis auf den Teller - erhöhen die landwirtschaftliche Produktion, mit unerwünschten Folgen für Biodiversität und Klima. Jährliche 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle allein in Deutschland, dabei 78 Kilogramm pro Kopf und Jahr in Privathaushalten, sprechen für eine Entfremdung zwischen Menschen und ihrem Essen. Eine rasche Reduzierung der immensen Verluste muss Priorität einer planetengesunden Wirtschafts- und Ernährungsweise werden. Nötig sind auch die Identifizierung und Behebung von Verlustpunkten in der Primärproduktion und die Förderung fairer und verantwortungsvoller Wirtschaftsbeziehungen zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und -handel.

7. Macht das Lebensmittelsystem gerechter und sorgt für einen fairen Handel!

Weltweit kämpfen bäuerliche Betriebe ums Überleben, weil es an Mechanismen fehlt, die langfristig stabile und faire Erzeuger*innenpreise garantieren. Unter dem enormen Kostensenkungsdruck bleiben Klima-, Tier- und Gewässerschutz für viele Landwirt*innen nahezu unerreichbar. Während Supermärkte, Online-Plattformen, Zwischenhandel und die Ernährungsindustrie die Gewinne einstreichen, erhalten die Menschen, die unsere Lebensmittel produzieren, oft einen Lohn, der kaum zum Leben reicht – selbst bei gestiegenen Lebensmittelpreisen für Verbraucher*innen. Um diese Preisdiktate der Lebensmittelindustrie und des Einzelhandels zu beenden, braucht es eine Stärkung der Position der Bäuerinnen und Bauern innerhalb der Wertschöpfungskette. So sollten Landwirt*innen ihre Preise beispielsweise direkt mit Molkereien verhandeln können, und es braucht Mindestpreise für Produkte, die nach Nachhaltigkeitsstandards hergestellt werden. Gleichzeitig gefährden ausbeuterische Handelsabkommen wie EU-Mercosur die Zukunft der Landwirtschaft. Durch die Abschaffung von Zöllen auf bis zu 82 Prozent aller Agrarimporte, etwa von Rindfleisch und Soja, wird der Preisdruck auf europäische Betriebe weiter erhöht. Gleichzeitig werden in Lateinamerika Regenwälder zerstört, kleinbäuerliche Strukturen verdrängt, Ökosysteme und Menschengesundheit durch in der EU verbotene hochgefährliche Pestizide (HHPs) belastet und die Hungerkrise verschärft. Statt den Interessen der Konzerne zu dienen, muss die EU eine gerechte Handelspolitik verfolgen, die das Menschenrecht auf Nahrung sichert und die Ernährungssouveränität stärkt. Es ist an der Zeit, faire Erzeuger*innenpreise weltweit zu sichern, die Import-Standards für Lebensmittel aus Drittstaaten denen der EU anzupassen und die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen – für Bäuerinnen und Bauern, für Verbraucherinnen und für unseren Planeten.

8. Ermöglicht den Zugang zu Land für bäuerliche und ökologisch arbeitende Landwirtschaft!

Die Spekulation mit Agrarflächen nimmt immer größere Ausmaße an. Von fehlenden Agrarstrukturgesetzen profitieren vor allem Großinvestoren wie Aldi, Deutsche Wohnen oder die Münchener Rück, die bereits Tausende Hektar Ackerland besitzen. Diese Entwicklungen treiben die Preise für landwirtschaftliche Flächen in schwindelerregende Höhen, was insbesondere für bäuerliche Betriebe und Existenzgründer*innen zur existenziellen Belastung wird. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind wirksame Maßnahmen notwendig: Ackerland muss in den Händen von Bäuer*innen bleiben, indem Bodenspekulation und Landgrabbing durch außerlandwirtschaftliche Investoren gesetzlich unterbunden werden. Zugleich gilt es, jungen Menschen den Einstieg in die Landwirtschaft zu erleichtern. Bezahlbare Bodenpreise, eine progressive Besteuerung beim Grunderwerb und ein besserer Zugang zu Kapital sind essenzielle Bausteine, um der nächsten Generation den Weg zu ebnen. Parallel dazu gehen täglich über 50 Hektar landwirtschaftlicher Fläche verloren – eine alarmierende Entwicklung, die sich weiter verschärft. Diese Flächen sind dauerhaft für die Lebensmittelproduktion und den Erhalt der Biodiversität verloren. Hier könnte Land, das sich in öffentlicher Hand befindet, eine Schlüsselrolle spielen: Es sollte gemeinwohlorientiert verpachtet werden, um eine nachhaltige und zukunftsorientierte Nutzung sicherzustellen. Es braucht jetzt ein Umdenken in der Agrarpolitik, um die Zukunft der Landwirtschaft und unserer Ernährung zu sichern.

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* Diese Forderungen sind zum Teil zusammen mit dem "Wir haben es satt-Bündnis entwickelt worden, dem Slow Food Deutschland angehört.

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