Klimaschutz und Biologische Vielfalt
Um die planetaren Grenzen der Erde einzuhalten und die Lebensgrundlagen vor allem im Globalen Süden zu sichern, müssen wir Geschäftsmodelle aufgeben, die unser Klima und unsere Umwelt schädigen. Zu den schädlichen Praktiken gehören
die Vereinnahmung oder Zerstörung natürlicher Ressourcen wie Land, Wasser, Saatgut und Wälder. Supermärkte und große Lebensmittelkonzerne müssen ihren Anteil an der Klimakrise reduzieren und für einen umfassenden Schutz von Biodiversität und dem Ökosystem sorgen.
Ohne eine konsequente Ökologisierung der Landwirtschaft wird die Weltgemeinschaft ihre nachhaltigen Entwicklungsziele verfehlen. Forscher*innen rechnen beispielsweise, dass allein die globale Herstellung synthetischer Dünger für die industrielle Landwirtschaft mehr als ein Prozent der menschlich verursachten Treibhausgase produziert. Hinzu kommen die klimaschädlichen Folgen einer immer intensiveren und weiter verbreiteten Tierproduktion, der 5 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands zuzurechnen sind. Um ausreichend Flächen für Tierfutteranbau zu bekommen, lassen Konzerne in Schwellen- und Entwicklungsländern gigantische Waldflächen roden. Zudem speichern Böden, auf denen intensivste Landwirtschaft stattfindet, weniger Kohlenstoffe als solche, die extensiv bewirtschaftet werden. Das alles macht die Landwirtschaft neben der Energieerzeugung und dem Verkehrssektor zu der großen Stellschraube, mit der der Mensch die Folgen der Klimakrise noch eindämmen könnte. Ein weiterer beträchtlicher Anteil an Treibhausgasemissionen ist den Lebensmittelverlusten entlang der Wertschöpfungskette zuzurechnen. Auch hier könnten verbindliche Reduktionsziele in Richtung Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 rasche Erfolge bringen. Schließlich könnte die Förderung einer verstärkt pflanzlichen Ernährungsweise (etwa durch Erhöhung des Anteils pflanzlicher Lebensmittel in der öffentlichen Versorgung oder durch Entfall der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse) den Rückbau der industriellen Tierproduktion erheblich unterstützen.
Wie kann das Lebensmittelsystem klimafreundlicher werden?
- Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft senken
- Keine mineralölbasierten Produktionsmittel mehr einsetzen
- Industrielle Tierproduktion reduzieren
Ein Q&A von Slow Food zu pflanzenbasierter Ernährung findest Du hier.
Auf lange Sicht muss eine fundamentale Veränderung des Ernährungssystems erreicht werden. Daher müssen die aktuellen Machtungleichgewichte in den globalen Agrar-Lieferketten angegangen werden. Bei einer Neustrukturierung des globalen Ernährungssystems müssen Kleinbäuer*innen, Arbeiter*innen (besonders Frauen und migrantische Arbeiter*innen), Bürger*innen sowie Klima und Umwelt im Mittelpunkt stehen. Wir setzen uns für Alternativen ein, die eine gerechte Zukunft ermöglichen. Unsere Lösung ist ein Ernährungssystem, das auf agrarökologischen Prinzipien basiert und Ernährungssouveränität gewährleistet. Dieses neue System wird auf einem guten Leben und guter Arbeit für alle aufbauen!
Doch Stand heute schreitet der Verlust der Biodiversität in noch nie da gewesenem Tempo voran. Im Jahr 2018 stellte der Living Planet Report einen Rückgang der Tierpopulationen über einen Zeitraum von nur 40 Jahren fest. Die Forscher bilanzieren, dass die Zahl von Wirbeltieren um durchschnittlich 60 Prozent zurückgegangen ist. Ebenso gibt es eindeutige Belege, dass die Zahl der wilden und domestizierten Bestäuber sowie der Pflanzen, die auf sie angewiesen sind, in jüngster Zeit zurückgegangen ist. Mit verheerenden Folgen für die Welternährung. Die Bestäubung durch Insekten ist für drei Viertel aller direkt für die menschliche Ernährung verwendeten Nutzpflanzenarten notwendig. Der wirtschaftliche Wert liegt bei deutlich mehr als 150 Milliarden Euro. Auch hier gilt: Einer der Haupttreiber dieser Krise ist die industrielle Landwirtschaft.
Die landwirtschaftliche Intensivierung der letzten Jahrzehnte hat durch den Einsatz von Agrochemikalien zu einer Verschlechterung der Lebensräume verschiedener Tierarten in landwirtschaftlich genutzten Gebieten geführt. Insbesondere die Insektenbiomasse ist erheblich zurückgegangen – laut verschiedenen Studien um bis zu 75 Prozent in den letzten drei Jahrzehnten. Ein UN-Bericht stellt fest: „Der anhaltend übermäßige Einsatz und Missbrauch von Pestiziden führt zur Kontamination der umliegenden Boden- und Wasserquellen, was zu einem erheblichen Verlust an Biodiversität führt, nützliche Insektenpopulationen zerstört, die als natürliche Feinde von Schädlingen fungieren, und den Nährwert von Lebensmitteln verringert.“ Und diese Krise findet über wie unter der Erde statt: Etwa 25 Prozent aller Arten auf der Erde leben im Boden. Die Welternährungsorganisation (FAO) sieht die intensive Pflanzenproduktion in vielen Ländern als Gefahr für den Boden und fordert, dass die Bekämpfung der Bodenverarmung als eine „dringende Priorität“ eingestuft werden muss.
Die industrielle Landwirtschaft steht für eine ökologische Abwärtsspirale: zum einen durch die zunehmende Konzentration auf wenige, intensiv erzeugte Monokulturen. Mehr als 50 Prozent der menschlichen Nahrung hängt mittlerweile von nur drei Nutzpflanzen ab: Mais, Reis und Weizen. Und auch die intensive Tierhaltung trägt zum Vielfaltsverlust bei. Durch große Tierfabriken erzeugen viele Länder mehr Nitratabfälle, als ihre Böden aufnehmen können. Bringen Landwirtinnen und Landwirte dieses Nitrat dennoch auf ihren Feldern aus, führt das zur Überdüngung. Das wiederum schädigt das Bodenleben und reduziert die Artenvielfalt in Böden und Gewässern. Den Verlusten entgegenwirken kann vor allem die Förderung einer ökologischen Landwirtschaft. Allerdings ist auch klar: Eine klima- und artenfreundliche Landwirtschaft wird nur dann die großen planetaren Krisen einzudämmen helfen, wenn sie mit einer klima- und artenfreundlichen Ernährungsumstellung der Menschen einhergeht.
Wie kann das Lebensmittelsystem die biologische Vielfalt schonen?
- Chemisch-synthetische Pestizide reduzieren
- Weniger Nitrat auf den Böden
- Biologische Landwirtschaft fördern
Obwohl immer mehr Verbraucher*innen nach Alternativen wie lokalen Lebensmittelnetzwerken suchen, bestimmen große Supermärkte und Discounter immer noch, was auf unseren Tellern landet. In der Tat sind sie der Dreh- und Angelpunkt für
eine nachhaltige Lebensmittelproduktion. Bisher nutzen sie ihre Marktmacht jedoch allzu oft, um Preisdruck auf ihre Lieferketten auszuüben. Das macht es unmöglich, sozialen und ökologischen Fortschritt zu erreichen.
Eine gute, saubere und fair erzeugte Ernährung darf weder am Geldbeutel noch an fehlendem Wissen scheitern. Ein Weg, Menschen für eine nachhaltigere Ernährung zu gewinnen, sind bessere Ernährungsumgebungen. Das ist wichtig, weil faire Ernährungsumgebungen gesunde, nachhaltige und faire Entscheidungen erst ermöglichen. Die Gestaltung der Ernährungsumgebung sollte sich stärker als bisher an Gesundheit, sozialen Zielen, Umwelt und Tierwohl orientieren.
Ernährungsumgebungen sind etwa fair, wenn sie auf unsere menschlichen Wahrnehmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten sowie Verhaltensweisen abgestimmt sind und gesundheitsfördernder, sozial-, umwelt- und tierwohlverträglicher sind und damit zur Erhaltung der Lebensgrundlagen heutiger und zukünftig lebender Menschen beitragen. Um das zu erreichen, muss Ernährungspolitik in Deutschland einen Systemwechsel in der Kita- und Schulverpflegung herbeiführen, auf „wahre“ Preise hinwirken, verlässliche Informationen bereitstellen, nachhaltigere Ernährung als das „neue Normal“ positionieren, Angebote in öffentlichen Einrichtungen verbessern, Landbausysteme weiterentwickeln und kennzeichnen und das Politikfeld „nachhaltigere Ernährung“ aufwerten und institutionell weiterentwickeln.
Wir brauchen eine gesetzlich vorgeschriebene, transparente und detaillierte Kennzeichnung von Lebensmitteln. Verbraucher*innen brauchen nicht nur wahre Informationen über Inhaltsstoffe, sondern auch über Herstellungswege, Herkünfte und Herstellende sowie die externen Kosten eines Lebensmittels. Sonst ist das industrielle Lebensmittel auch weiterhin nicht von einem mit ökologisch, sozial und ethisch verantwortlicher und handwerklicher Herkunft zu unterscheiden.
Wie kann soziale und globale Gerechtigkeit stärker sichergestellt werden?
• Das Lebensmittelhandwerk fördern
• Lieferkettengesetze ausbauen und verbessern
• Lebensmittelverschwendung bekämpfen
Dieses Dokument wurde mit Unterstützung der Europäischen Union produziert. Die Inhalte dieses Dokuments liegen in der alleinigen Verantwortung von Slow Food Deutschland und spiegeln unter keinen Umständen die Positionen der Europäischen Union wider.
Infografiken by Elisabeth Deim.