Bittenfelder Sämling vom Hochstamm
Apfel aus Württemberg
Arche-Passagier seit 2022
Unterstützt von Slow Food Heilbronner Land und Slow Food Stuttgart
Beschreibung des Passagiers
Der Bittenfelder Sämling wird umgangssprachlich meist nur „Bittenfelder“ genannt. Der Name kommt von dem Ort Bittenfeld in Württemberg, einem Teilort der Stadt Waiblingen im Rems-Murr-Kreis. Dort wurde dieser Zufallssämling bereits vor 1920 gefunden.
Er hat kleine bis mittelgroße kugelförmige Früchte, die teilweise abgeflacht sind. Bei Vollreife ist der Apfel zitronengelb, manchmal mit rötlichen Stellen auf der Sonnenseite. Die Schale ist matt mit fühlbar erhabenen Korkzellen, die Stiele sind lang und dünn. Das Fruchtfleisch ist weiß, fest und saftig.
Der Bittenfelder Apfel hat einen hohen Zuckergehalt, der jedoch geschmacklich von einem hohen Säuregehalt überdeckt wird. Da er eher klein ist, ist er auch als Tafelapfel nicht geeignet. Dieser „Nachteil“ wird jedoch durch eine besondere Eigenschaft mehr als aufgewogen: Der Bittenfelder ist der Apfel mit dem höchsten Gehalt an phenolischen Antioxitantien. Medizinische Studien sehen diese sekundären Pflanzenstoffe vorbeugend gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Sie können freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies im Körper inaktivieren und ihn somit vor oxidativem Stress schützen. Dr. Christine Thielen hat in ihrer Dissertation im Jahr 2006 beschrieben, dass in Apfelsäften aus Bittenfeldern die höchsten Werte an diesen Polyphenolen festgestellt wurden.
Die hohen Zucker- und Säuregehalte machen den Bittenfelder zu einem ausgezeichneten Mostapfel, der die höchsten Öchsle-Werte bei Apfelsäften erreicht. Allerdings sollte er dazu nicht in rauhen Lagen stehen – Weinbaugegenden sind deshalb für ihn besonders geeignet. Pflückreif ist der Bittenfelder Ende Oktober, genussreif ab November. Haltbar ist er bis März.
Der Bittenfelder bildet großkronige breit ausladende Bäume. Er wächst anfangs schwach, später stark. Der Ertrag setzt sehr spät ein, ist dann hoch, aber alternierend. Der Baum ist widerständig gegen Frost und Krankheiten und langlebig. Der Bittenfelder ist ein guter Pollenspender und auch deshalb für den Streuobstanbau sehr gut geeignet. Da er eine der wenigen selbstfruchtbaren Apfelsorten ist, fallen seine Sämlinge alle recht ähnlich aus. Die Sorte wird deshalb auch bevorzugt als Unterlage für die Veredelung verwendet.
Gefährdung des Passagiers
Im vergangenen Jahrhundert war der Bittenfelder Apfel eine verbreitete Sorte im württembergischen Unterland und wurde auch aufgrund seiner Eignung als Unterlagssorte von vielen Baumschulen vermehrt. Süßmost und vor allem der wegen seines Alkoholgehaltes lang haltbare Gärmost aus Äpfeln von Streuobstwiesen waren noch bis in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eines der häufigsten Getränke im ländlichen Raum. Das hat sich in der zweiten Hälfte radikal zugunsten von Wein, Bier und industrieller Softgetränke geändert und damit ging sowohl der Streuobstanbau als auch die Mostherstellung stark zurück. Industriell hergestellter Apfelsaft aus Plantagenäpfeln, die in Spalieranlagen gezogen werden, ermöglichten eine deutlich wirtschaftlichere Produktion, die zudem durch Sterilisation und die Abfüllung in Flaschen längere Haltbarkeit haben.
In den traditionellen Streuobstgebieten wurde der Bittenfelder immer weniger, u. a. weil er aufgrund seiner späten Reifung nicht einfach zusammen mit den früher reifen Sorten geerntet und verarbeitet werden kann. Viele Bittenfelder bleiben deshalb entweder am Baum hängen (und verrotten dann darunter) oder werden – oft nicht vollreif – mit anderen Sorten zu nicht sortenreinen Säften verarbeitet.
Vermarktung des Passagiers
Bedeutung als Most- und Brennapfel hatte der Bittenfelder früher besonders in seiner Heimat Württemberg und darüber hinaus. Heute ist er noch in den Streuobstgebieten an den Rändern des Schwäbisch-fränkischen Waldes, im Rems- und Murrtal und am Albtrauf sowie vereinzelt in anderen deutschen Streuobstgebieten zu finden. Es empfiehlt sich nach Produzent*innen zu suchen, die Bittenfelder reinsortig sowohl als Säfte und insbesondere zu Bränden verarbeiten. Einige Beispiele sind unter „Bezugsquellen“ zu finden.In den Apfelsäften von Streuobstprojekten sind möglicherweise relativ oft Bittenfelder Äpfel mitverarbeitet – wenn auch in kleinen Mengen und nicht explizit angegeben. Ganz bestimmt sind welche im Saft vom Steinkauz-Streuobstwiesen-Projekt GbR, 74072 Heilbronn. Und sortenreiner Bittenfelder Saft ist u. a. bei der Obstweinkellerei Jürgen Kaiser in 73084 Salach, der Saftmanufaktur Rösch in 71636 Ludwigsburg und der der Mosterei Gugel in 72070 Tübingen. Wer es hochprozentig mag, findet bei den Bezugsquellen auch einige Erzeuger*innen, die sortenreine Bittenfelder Brände anbieten.
Regionale Bedeutung des Passagiers
Streuobstbestände haben eine herausragende Artenvielfalt (mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten) und sind deshalb für die Ökologie extrem wichtig. Für ihren Erhalt sind zwei- bis dreimalige Mahd in der Vegetationsperiode und entsprechender Baumschnitt notwendig. Diese Mahd ist wiederum nur bei entsprechender Höhe der untersten Äste wirtschaftlich möglich, weshalb auch bei Neuanlagen oder Nachpflanzungen Hochstammbäume verwendet werden sollten. Aus diesem Grund erhält der Name des Arche-Passagiers den Zusatz „vom Hochstamm“. Der Bittenfelder Sämling ist ein wesentlicher Bestandteil der Streuobstwiesen in Württemberg und gibt durch seine hohen Zucker- und Säurewerte den aus ihnen hergestellten Süß- und Gärmosten sowie den Bränden seinen besonderen Geschmack.
Durch seine Verwendung als Unterlagssorte ist er indirekt noch häufiger vorhanden als es die geringen unter seinem Namen vermarkteten Produkte vermuten lassen.
Züchter*innen, Erzeuger*innen und Bezugsquellen
Baumschulen:
Monika & Joachim Weiss GbR
Peter Trost
Schnapsmanufaktur
Links und Aktivitäten rund um den Passagier
>>Slow Food Magazin: Bittenfelder Sämling vom Hochstamm
Download
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Bilder im Text: © Schmidhausen (Bild 1), © Beilstein (Bild 2)