Slow Food erarbeitet Qualitätskriterien für Rindfleisch

Für die Expert*innen des Slow-Food-Workshops ist klar: An Nachhaltigkeit ausgerichtete Zucht, Haltung und Fütterung sind die Grundlage für die Qualität von Rindfleisch. Hinzu kommt die handwerkliche Weiterverarbeitung auch in der Küche – from nose-to-tail.

Diesen Herbst fand in Kassel der erste von insgesamt sechs Workshops im Rahmen des Slow-Food-Projektes "Umweltgerechte und nachhaltige Fleischproduktion am Beispiel Rind" statt. Ziel war es, zusammen mit Vertreter*innen von Slow Food und den Slow Food-Kommissionen sowie weiteren Expert*innen aus der Fleischwirtschaft einen ersten Entwurf von Qualitätskriterien für Rindfleisch zu erarbeiten. Dabei wurde der gesamte Prozess beginnend bei der Tierzucht über Haltung, Fütterung, Transport bis zur Schlachtung einbezogen. Bei der ganzheitlichen Betrachtung spielt eine besondere Rolle, dass es keine Milch ohne Fleisch sowie kein Fleisch ohne Töten gibt. Ebenso wurden die Verarbeitung und Nutzung des ganzen Tieres, die Vermarktungswege (insbesondere auch der Kälber), die Wirtschaftlichkeit sowie die Weiterverarbeitung in Küchen und Gastronomie diskutiert. Nachhaltigkeit sowie Schutz von Biodiversität wurden dabei in den Vordergrund gerückt. Die erarbeitete Kriterienmatrix wird in weiteren fünf Workshops in 2021 zusammen mit Praktiker*innen aus allen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette auf ihre Umsetzbarkeit untersucht und konkretisiert.

An Nachhaltigkeit ausgerichtete Zucht, Haltung und Fütterung als Grundlage

Den Grundstein für eine nachhaltige Erzeugung tierischer Lebensmittel legt, nach Meinung der Expert*innen, eine Tierzucht, die an Gesundheit, Robustheit, Fruchtbarkeit und auch einer Wirtschaftlichkeit orientiert ist und somit den Ertrag aus Milch und Fleisch in einer guten Balance hält. Zweinutzungsrassen und gegebenenfalls auch entsprechende Einkreuzungen von Fleischrinderrassen in leistungsbetonte Milchrassen sind im Blickfeld des Projektes. Weitere genannte Kriterien sind gegebenenfalls das Tragen von Hörnern (inkl. hornlose Züchtungen wie Angus). Von Extremzüchtungen und Qualzucht grenzten sich die Teilnehmenden unmissverständlich ab; die genauere Definition dessen erfolgt in den nächsten Workshops .

Ein weiteres zentrales Kriterium ist eine artgerechte Tierhaltung und -fütterung, das heißt Weidehaltung und Auslauf sowie eine flächengebundene und eine für Wiederkäuer natürliche Fütterung mit Rau- und Grünfutter. Regionalität der Herkunft der Futtermittel wurde auch genannt sowie ein möglicher Verzicht bzw. eine klare Reduktion des Einsatzes von energiekonzentriertem Kraftfutter. Bereits im vorausgegangenen Slow-Food-Projekt "Nachhaltige Milcherzeugung" spielte das Kriterium mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht eine große Rolle. Der Einfluss der Haltungsform auf die Sozialstruktur und die Gesundheit der Herde ist wissenschaftlich untersucht. Diese Erkenntnisse sowie Erfahrungen aus der Praxis dienen der genaueren Benennung von Leitlinien in der Rinderhaltung (nach Slow Food-Philosophie).

Die Kombination aus einer tiergerechten Zucht und einer bodengebundenen Fütterung auf der Basis von nachhaltigen Haltungssystemen kann aktiv zu einer nachhaltigen Nutzung landwirtschaftlicher Flächen sowie zur Biodiversität beitragen. Zentral für den Umweltschutz sind aus pflanzenbaulicher Sicht unter anderem der Einsatz einer vielseitigen Fruchtfolge mit Grünlandbrache. Mit großem Interesse verfolgen die Teilnehmenden die neuen Ansätze zu ganzheitlichen Weidemanagementsystemen. In der Stärkung alternativer Bewirtschaftungsformen sehen sie große Chancen für eine nachhaltige und umweltverträgliche Fleischproduktion und für die Regionalisierung der Lebensmittelerzeugung. Verschiedene Weidemanagementsysteme und die Bedeutung der Rinderhaltung für Klima und Biodiversität werden deshalb in einem eigenen Workshop genauer beleuchtet werden.

Transport, Schlachtung und Verarbeitung

Regionalisierung soll jedoch nicht bei der Futterproduktion enden. In der Nutzung regionaler Schlachthöfe sehen die Expert*innen eine wichtige Voraussetzung für die Minimierung stressreicher Lebendtiertransporte sowie eine Voraussetzung für regionale Vermarktung. Regionale Schlachtstätten sind ebenso eine Bedingung für Weideschlachtung und teilmobile Schlachtung. Noch offen blieb das Thema Kalbfleisch. 

Mit Bildung zum Erfolg

Lebensmittelverschwendung ist ein zentrales Thema der Slow-Food-Bewegung. In Zusammenhang mit Rindfleisch geht es dabei vor allem um Ganztierverwertung. Die Verarbeitung und Zubereitung von großen Muskelfleischpartien in der Gastronomie ist eine Möglichkeit, mehr als nur das Filet, welches 1% des Schlachtgewichts eines Rindes ausmacht, auf die Teller zu bringen. Ebenso wichtig ist die Verarbeitung von Innereien und Knochen, etwa für Saucen und Brühen. Die Teilnehmenden des Workshops sind sich einig: Die Gastronomie kann einen großen Beitrag für die Ganztierverwertung und eine nachhaltige Rindfleischproduktion leisten, wenn die Köch*innen dazu bereit sind.

Unterschiedliche Vermarktungswege bzw. Bezugsquellen sowie die Kommunikation zwischen Gastronom*innen, Produzierenden sowie Verbraucher*innen können der vielseitigen Nutzung von Rindfleisch förderlich sein. Weitere Ansätze sehen die Expert*innen in der Verbraucherbildung, im Aufbau von Kochkompetenz sowie in einer detaillierten Kennzeichnung von Rindfleisch ähnlich der von Eiern.

Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen Hand in Hand gehen

Die Teilnehmenden des ersten Workshops sind sich einig, dass Qualitätskriterien für nachhaltiges Rindfleisch nur sinnvoll sind, wenn sie ein wirtschaftliches Handeln möglich machen. Hierfür wurde auch eine Neudefinition des Leistungsbegriffs diskutiert, welcher sich nicht auf Kilogramm und Liter beschränkt, sondern den ökologischen und sozialen Mehrwert mit einbezieht. Diese Neudefinition benötigt eine ganzheitliche Betrachtung des Wertschöpfungsprozesses für Rindfleisch, was im Rahmen des Projektes erfolgt.

Im weiteren Verlauf des Projektes zur nachhaltigen Fleischwirtschaft am Beispiel Rind wird die Umsetzbarkeit der erarbeiteten Kriterien genauer diskutiert. Praxisbeispiele sollen dabei zeigen, was aktuell schon möglich und wirtschaftlich ist und wie ein Mehrwert für Mensch, Tier und Umwelt in Zukunft aussehen kann.

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Dieses Projekt wird gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages

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