Reisebericht: Eine Reise fernab ausgetrampelter Pfade mit Slow Food in Serbien
"Unsere kleine Reisegruppe, bestehend aus sechs völlig unterschiedlichen Charakteren, lernte sich nach individueller Anreise erst im Hotel in Belgrad kennen. Ich glaube, keiner von uns wusste, was ihn erwarten würde auf dieser Reise nach Serbien. Im Kleinbus ging es am nächsten Morgen los. Unser Reiseführer und Organisator Mariusz Rybak hat uns während der Busfahrten ständig wertvolle Informationen über Land und Leute gegeben.
Ab gen Norden in die Pannonische Tiefebene
Erste Station auf dieser Reise war Sremski Karlovci, ein Städtchen von etwa 10.000 Einwohnern. Dort trafen wir auf Dimitri (Dima), der uns dort – und ein paar Tage später in Belgrad – die Geschichte der Stadt ausführlich und mit viel Humor erklärte. Zu Mittag waren wir auf dem Weingut Kiš, das für seinen Bermet – ein traditionelles alkoholisches Getränk ähnlich dem Wermut – bekannt ist. Verkostet haben wir sowohl die weiße, als auch die rote Version. Weiter ging es dann nach Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens. Im Krieg im Jahre 1999 wurde die Stadt strategisch von der NATO bombardiert, alle Brücken und viele Industrieanlagen zerstört, was als Folge auch viele Umweltschäden verursachte. Auf der Festung Petrovaradin, einer unglaublich großen Verteidigungsanlage aus den Habsburger Zeiten, hatte man einen grandiosen Ausblick auf die Donau und die Stadt Novi Sad. Am frühen Abend trafen wir dann für die Nacht in unserer Unterkunft ein, in einem so genannten Salaš beziehungsweise einem außerhalb des Dorfs stehenden Bauernhof. Hier verzehrten wir auch sehr gemütlich im Schatten der Bäume ein hervorragendes Abendessen mit Live-Musik. Nun war das kein Salaš wie viele andere. Hier wurde das serbische Slow-Food-Netzwerk gegründet und die Küche ist der guten, sauberen und fairen Philosophie nach wie vor verpflichtet.
Weinverkostung und kulinarische Highlights
Am nächsten Tag ging es dann durch die Pannonische Tiefebene (mit einem der fruchtbarsten Böden Europas!) nach Sombor, einer Kleinstadt in welcher die größte Ansammlung von den so genannten Donauschwaben wohnt, über die wir auch einiges erfuhren und wie sie ihre eigene Kultur bewahren. Anschließend Mittagessen in einem traditionellen Salaš, in dem die donauschwäbischen Rezepte noch gelebt werden. Übervoll und leicht schläfrig ging es dann weiter Richtung Subotica an der Grenze zu Ungarn. Am Abend sind wir dann zum Weingut Maurer gefahren, wo uns ein 4-Gänge-Menü zubereitet von Frau Maurer mit der Verkostung von 10 verschiedenen Naturweinen erwartete. Die modern interpretierten Spezialitäten des lokalen Ungarn wurden aus hauseigenem Gemüse, selbst gesammelten Waldpilzen und Käse von Nachbarn gezaubert. Das dürfte der kulinarische Höhepunkt gewesen sein.
Arche-Passagiere und Presidi-Produkte auf dem Teller
Am nächsten Tag ging es nach einer Besichtigung der Stadt Subotica zurück nach Belgrad mit Zwischenstopp in Futog, wo es Kohl in allen Variationen zum Mittagessen gab. Der Futog-Kohl ist ein Arche-Passagier. Danach durch die Fruška Gora, den Frankenwald, zum Kloster Novo Hopovo. Anschließend ging es direkt ins Hotel nach Belgrad, wo wir uns von unserem supernetten Fahrer Igor verabschiedeten, der uns drei Tage lang sicher durch das Land fuhr. Abends, welch große Überraschung, gab es dann wieder Slow Food und Slow Drinks. Auf serbische Obstbrände verstanden wir uns inzwischen gut, aber der Presidio-Sliwowitz aus der autochthonen Pflaumensorte Crvena ranka war uns trotzdem eine Offenbarung.
Am nächsten Tag gab es in Belgrad „La grande tour“ mit dem uns schon vertrauten Dima, der auch die historischen und politischen Zusammenhänge so gut erklären konnte, dass man hinterher das Gefühl hatte, doch zumindest etwas von der höchst komplizierten Geschichte Serbiens zu verstehen!
Am letzten Tag noch ein Höhepunkt: Privat-Kreuzfahrt auf der Save und Donau mit phantastischem Blick auf die Stadt. Für Essen und Getränke war natürlich auch gesorgt, und zwar durch das Belgrader Slow-Food-Convivium Dorćol! Aufgetischt wurden gleich mehrere Arche-Passagiere wie einige Spezialitäten vom Mangulica-Schwein, die Peglana – die gebügelte Wurt aus Pirot, die von Mirjana, der Convivienleiterin gemachten Bällchen aus Urda, dem serbischen Ricotta und vieles mehr.
Abends fuhren wir in den alten Stadtteil Zemun, wo wir von zwei wunderbaren Künstlerinnen mit klassischer und folkloristischer Musik unterhalten wurden. Das abschließende Abendessen fand auf einem Dachgarten mit Blick auf die Altstadt und Belgrad statt, während sich die Abendsonne mit ihrem wärmsten Licht von uns verabschiedete.
Die gute Zeit vergeht wie im Fluge
Am nächsten Tag: die Ernüchterung beziehungsweise die Heimreise.
Fazit: Slow Fooder und andere Aliens, bitte fahrt nach Serbien! Die Freundlichkeit der Leute hat mich total überwältigt und was Euch kulinarisch erwartet, wird Euch die Augen öffnen. Dank sei gesagt unserem wunderbaren Guide Mariusz, der es geschafft hat, uns dieses tolle Land schmackhaft zu machen. (Alles andere als 08/15!)".
Text: Dieter Fischer