Die ungefilterte Wahrheit über den Kaffeeanbau - von Edward Mukiibi

Was bringt Menschen mehr zusammen als eine gute Tasse Kaffee? Ob als Filterkaffee, italienischer Espresso, türkischer Mokka oder nach äthiopischer Tradition gebrüht: Kaffee ist nach Wasser das weltweit am meisten konsumierte Getränk. In meiner Familie wird seit Generationen Kaffee angebaut, und viele meiner Kindheitserinnerungen haben mit seinem Anbau und Konsum zu tun. Aber für die meisten Menschen ist Kaffee eine abgepackte Ware, die in den Supermarktregalen steht, oder ein Getränk, das in den Filialen großer internationaler Ketten bestellt wird.

Kaffee gehört zu den weltweit am meisten gehandelten Rohstoffen und ist die einzige Einkommensquelle für mehr als 25 Millionen Bäuer*innen weltweit. Ein großer Teil des Bruttoinlandsproduktes von mehr als 50 Ländern hängt stark von den Preisschwankungen an den Weltbörsen ab, wo die Spielregeln von einer Handvoll Konzerne diktiert werden. Doch die börsennotierten Arabica- und Robusta-Kaffeesorten repräsentieren nur einen kleinen Teil der
der großen Artenvielfalt des Kaffees. Die Tragödie, mit der wir heute konfrontiert sind, besteht darin, dass alte Sorten wie die, die mein verstorbener Großvater noch anbaute, durch neue Industriesorten ersetzt werden. Doch deren höhere Erträge gehen auf Kosten der Umwelt. Auf den Erhalt von Ökosystemen und die biologische Vielfalt wird keine Rücksicht genommen. Dabei sind gerade sie so wichtig für die Widerstandsfähigkeit gegenüber der Klimakrise.

Wie kann eine nachhaltiger Kaffeeanbau aussehen? Diversifizierte agroforstwirtschaftliche Systeme sind in der Tat von entscheidender Bedeutung, sowohl im Kampf gegen die Klimakrise als auch für die Versorgung der Erzeugerfamilien mit Nahrungsmitteln, wenn die auf dem selben Land wachsen können, wo auch der Kaffee angebaut wird. Ein Beispiel: In Uganda wachsen zwar mehr als 10 Arabica-Kaffeesorten, doch die älteste und einzigartigste ist die Nyasaland Arabica-Sorte. Sie passt perfekt zu den Agroforst- und Zwischenfruchtsystemen, die an den Hängen des Mount Elgon und der westlichen Bergketten praktiziert werden. Nyasaland-Kaffee wächst an steilen Hängen in Höhen zwischen 1.260 und 1.550 Metern, wo er zusammen mit Bananen, Maniok, Kürbissen, Bohnen sowie Obstbäumen und Ingwer (einem wirksamen natürlichen Schädlingsbekämpfungsmittel) angebaut wird. Viele der Erzeugerfamilien von Mount Elgon gehören der Mount Elgon Nyasaland Coffee Community an, deren Mitglieder agrarökologische Grundsätze durch den Schutz dieser lokalen Sorte und den Erhalt der Artenvielfalt in die Praxis umsetzt.

Und hier ist jetzt Ihr Engagement gefragt. Denn auch wenn Sie weit entfernt in Deutschland wohnen, können Sie etwas tun, um den nachhaltigen Kaffeeanbau zu unterstützen.

Erstens können Sie der Slow Food Coffee Coalition folgen und Teil davon werden, indem Sie das Grundsatzpapier – Manifesto genannt – unterzeichnen. Die Koalition ist ein offenes und kollaboratives internationales Netzwerk. Hauptziele sind die Schaffung direkter Verbindungen zwischen Anbauenden und Röstereien, die Aufklärung der Konsument*innen über nachhaltigen Kaffee sowie das Angebot kostenloser Schulungen für Landwirt*innen über alternative Zertifizierungssysteme.

Zweitens: Wir stehen zwar noch ganz am Anfang, und es ist schwierig, konkrete Hinweise zu geben. In Deutschland jedoch gibt es bereits Initiativen, die es verdienen, unterstützt zu werden: Den Kaffee der »Mount Elgon Nyasaland Coffee Community« können Sie über die Webseite von Sortengold erwerben, einer Plattform, die vor allem mit Erzeugergemeinschaften aus Afrika und verschiedenen deutschen Röstern zusammenarbeitet. Und Efra Lechuga, ein mexikanischer Produzent, der die Hälfte des Jahres in Deutschland lebt, bringt den Kaffee der Slow-Food-Gemeinschaft »Productores de Café Sustentable Cuaxtla Sierra Negra, Finca LaVictoria« nach Europa und vertreibt ihn über die Webseite Amate.

Die Rückverfolgbarkeit ist für das Wachstum des nachhaltigen Kaffeeanbaus von grundlegender Bedeutung. Beim Kauf der Bohnen oder des gemahlenen Pulvers darauf zu achten, wo der Kaffee herkommt und welche Genossenschaft ihn produziert hat – dies ist bereits ein bahnbrechender Schritt in der Welt des Kaffees.

coffeecoalition.slowfood.com

www.sortengold.de

www.amate.de

von Edward Mukiibi, seit 2022 Präsident von Slow Food International

erschienen im Slow Food Magazin 06/2023

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