Visionen lassen sich nicht ohne Geld umsetzen - von Rupert Ebner
Die Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln ist der mit Abstand größte Teil aller Volkswirtschaften und hat damit auch die größten Auswirkungen auf Umwelt und Klima, auf das Zusammenleben der Völker, auf Reichtum und Armut. Schlimm ist, dass immer noch über 750 Millionen Menschen auf der Welt hungern, obwohl sich seit der »Grünen Revolution«, seit den 1960er Jahren, mit modernen Züchtungsmethoden und Agrochemie die landwirtschaftlichen Erträge pro Hektar enorm gesteigert haben.
Nun kann man sich in vielfältiger Weise engagieren, um hungernden Menschen zu helfen, Agrochemie von unseren Feldern zu verbannen oder um grüne Gentechnik zu verhindern. Alles Felder, auf denen sich Engagement lohnt. Um der Slow-Food-Vision von »gutem, sauberen und fairem Essen für alle« näher zu kommen, müssen wir uns aber nicht nur einzelnen Problemfeldern widmen, sondern uns umfassend mit dem Ernährungssystem auseinandersetzen und Lösungen aufzeigen. Das tun wir seit vielen Jahren, indem wir uns für Biodiversität engagieren (Arche des Geschmacks), indem wir versuchen, die Bedeutung von traditionellen Ernährungsweisen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln (Terra madre), indem wir Wege aufzeigen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden (Teller statt Tonne) und vieles mehr.
Was uns jedoch von allen anderen auf diesen Feldern engagierten NGOs unterscheidet, ist, dass wir Essen nicht als »lebensnotwendiges Übel« betrachten, sondern als Mittelpunkt des menschlichen Zusammenlebens, verbunden mit Genuss, Genuss für jeden Menschen – nicht zu verwechseln mit egoistischem Hedonismus.
Natürlich schätzen wir bei Slow Food ein gutes Glas Rotwein, einen gut gereiften Käse, auch ein gutes Stück Fleisch von einem Tier, das bis zur Schlachtung keine Schmerzen und kein Leiden ertragen musste. Gleichzeitig aber wollen wir uns lokal, regional, national und weltweit einmischen in die gesellschaftlichen Debatten. Das Ziel: Alle Menschen sollen souverän darüber entscheiden können, wie sie sich ernähren – immer im Bewusstsein, dass die Rahmenbedingungen der Nahrungserzeugung allen späteren Generationen Ressourcen hinterlassen müssen, die gute, saubere und faire Lebensmittel für alle auch in Zukunft möglich machen.
Um diese Ziele national und international zu verfolgen, braucht es viel Geld. Für Slow Food Deutschland sind die Mitgliedsbeiträge die finanzielle Grundlage unseres Engagements auf all den oben beschriebenen Feldern. Auch unterstützen wir mit nicht unerheblichen Mitteln unsere Mutterorganisation, die Fondazione Slow Food ETS mit Sitz in Bra, Piemont. Um unsere Visionen noch effektiver umsetzen zu können, brauchen wir neben diesen Mitgliedsbeiträgen weitere finanzielle Mittel. Spenden, die uns unabhängige Kampagnen ermöglichen, wären die beste Lösung. Dass wir mit den uns zur Verfügung gestellten Geldern effektiv und transparent umgehen, konnten wir in der Vergangenheit glaubwürdig zeigen, darüber hinaus hat Slow Food Deutschland sich der Initiative Transparente Zivilgesellschaft angeschlossen. Privaten Spender*innen bietet unsere Gemeinnützigkeit die Möglichkeit, die Zuwendungen steuerlich geltend zu machen.
Gerne würden wir auch mit Unternehmen Projekte verwirklichen. Wir sehen ein großes Potenzial darin, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die sich glaubhaft auf den Weg gemacht haben, unsere Visionen zu verwirklichen. Dieser Aufgabe will sich der neu gewählte Vorstand von Slow Food Deutschland gerne stellen.
Schatzmeisterin Ulrike Höller und ich als Vorsitzender freuen uns jedenfalls über Ideen, wie wir unsere finanzielle Basis stärken können. Jeder Vorschlag ist willkommen, ob von Privatpersonen, Unternehmen oder aus dem Kreis unserer Mitglieder.
von Rupert Ebner, Vorstandsvorsitzender Slow Food Deutschland
erschienen im Slow Food Magazin 05/2024