Archejahr 2013: Lasst uns retten, was wir essen wollen!
PRESSEINFORMATION
Berlin - 10. Dezember 2012
Zum heutigen Terra Madre Tag, an dem das weltweite Slow Food-Netzwerk regionale und nachhaltige Esskulturen feiert, gibt Slow Food Deutschland e.V. den Startschuss zum Archejahr 2013. Die kommenden zwölf Monate sind ganz besonders der Arche des Geschmacks gewidmet, dem internationalen Slow Food-Projekt zum Schutz der biologischen Vielfalt, durch das der Verein unser wertvolles kulinarisches Erbe bewahren will.
Die Arche des Geschmacks wurde 1996 ins Leben gerufen, um fast vergessene traditionelle Lebensmittel, Kulturpflanzen und Nutztiere, die in Gefahr sind, völlig zu verschwinden, zu katalogisieren und bekanntzumachen, nach dem Motto: Essen, was man retten will. Denn was nicht gegessen wird, wird nicht nachgefragt, kann also nicht verkauft werden, und wird deshalb nicht hergestellt.
Rund 1.100 „Passagiere“ segeln weltweit auf der Arche des Geschmacks; in Deutschland sind es derzeit 34. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein angesichts des dramatischen Verlustes an biologischer Vielfalt, den wir gerade in den letzten 100 Jahren erlebt haben. Die FAO schätzt, dass jede Woche zwei Nutztierarten verschwinden. In hochindustrialisierten Ländern wie bei uns in Deutschland sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts fast 90% unserer Vielfalt an Nutztieren und Kulturpflanzen verloren gegangen. Im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft und Nahrungsmittelverarbeitung verschwinden Arten und Produkte, die nicht mehr den technologischen und betriebswirtschaftlichen Ansprüchen genügen. Neben dem Verlust an biologischer Vielfalt bedeutet dies auch einen Verlust im sozialen, ökonomischen, kulturellen und landschaftlichen Bereich.
Die schwindende Agrobiodiversität – die Vielfalt an landwirtschaftlichen Nutzpflanzen – gefährdet zudem die Lebensgrundlagen des Menschen. Die Spezialisierung auf einige wenige Sorten und Arten – Weizen, Mais und Reis decken derzeit 95% des globalen Kalorienbedarfs – birgt Risiken von verminderter Krankheitsresistenz und Umwelttoleranz, insbesondere im Hinblick auf unvorhersehbare, zum Beispiel durch Klimawandel bedingte, Änderungen der Umweltbedingungen.
Daher verleiht Slow Food Deutschland dem Arche-Projekt in 2013 neuen Schwung. Initiativen und Veranstaltungen auf bundesweiter und lokaler Ebene lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auf die regionalen kulinarischen Schätze und informieren über die bedrohte biologische und kulturelle Vielfalt. Jeder kann mitmachen bei der Suche nach neuen möglichen Arche-Passagieren – durch eine Postkartenaktion und auf der Vereinswebseite können diese dem Verein genannt werden. Eine Fachkommission prüft die Aufnahme der Nutzpflanzen, Tierarten oder Lebensmittel in das Projekt nach den internationalen Standards der Slow Food Stiftung für Biologische Vielfalt. Verstärkt sollen auch Kontakte zwischen Erzeugern, Verarbeitern, Gastronomen, Händlern und Verbrauchern geknüpft werden, um die kulinarische und geschmackliche Vielfalt lebendig zu halten.
Passagiere der Arche des Geschmacks erfüllen folgende Kriterien:
- Sind in ihrer Existenz bedroht
- Einzigartige geschmackliche Qualität
- Historische Bedeutung und identitätsstiftender Charakter für eine Region
- Unterstützen die nachhaltige Entwicklung einer Region
- Tiere stammen aus artgerechter Haltung
- Frei von gentechnischer Veränderung
- Produkte sind käuflich erwerbbar
Auch auf dem Markt des Guten Geschmacks-Die Slow Food Messe, die seit 2007 jedes Jahr im April in Stuttgart stattfindet, findet das Thema der Agrobiodiversität in 2013 besondere Beachtung. Neben Podiumsgesprächen und Informationsveranstaltungen gibt es auch in diesem Jahr wieder die Saatgutbörse, wo die Besucher Saatgut historischer und fast vergessener Sorten erwerben können.
Weitere Informationen zum Projekt und zu den Aktivitäten und Veranstaltungen zum Archejahr 2013 finden Sie auf der Webseite von Slow Food Deutschland www.slowfood.de/biodiversitaet
Quellen: Bundesamt für Naturschutz, Weltzustandsbericht über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO, 2012)