PM Die „Seele“ vor dem Aussterben retten
Die Allgäuer-Oberschwäbische Seele in traditioneller Herstellung ist der neue und damit 67. Passagier in der „Arche des Geschmacks“ von Slow Food Deutschland. Während „Seelen“ inzwischen bundesweit von Großbäckern industriell produziert und angeboten werden, weiß kaum jemand um ihren Ursprung und ihren Eigengeschmack. Ihre traditionelle Produktionsweise ist bedroht, weil sie viel Zeit, handwerkliches Geschick sowie Erfahrung erfordert. Aktuell betreiben sie noch rund 15 Bäckereien im Württembergischen Allgäu und Oberschwaben.
Die Seele zählt zu den so genannten Brauchtumsgebäcken, ihr Name und ihre Bedeutung weisen auf einen katholischen Ursprung hin. Der Teig dieses länglichen Kleinbrots besteht aus Weizen- und Dinkelmehl, Wasser, ein wenig Hefe und Salz. In traditioneller Herstellung wird er bis zu 24 Stunden lang geführt und von Hand mehrfach bearbeitet. Die Rohlinge werden mit Kümmel und grobkörnigem Hagelsalz bestreut, bevor sie mit einem „Seelenschießer“, einem langen hölzernen Schieber mit einer Rinne für den Teig, in den Ofen geschoben und direkt auf dem Ofenboden ausgebacken werden. „Diese Art der Herstellung macht die Seele überhaupt erst zur Seele. Wird der Teig maschinell aufbereitet und die Seele auf Förderbändern gebacken, bekommt sie weder ihre dicke Kruste noch wird sie innen saftig. Das Ergebnis ist eine herkömmliche Semmel, die als Seele verkauft wird. Das ist denjenigen gegenüber ungerecht, die noch echtes Handwerk betreiben“, so Franz Wandinger, der seit 34 Jahren Seelen in seiner Allgäuer Backstube produziert und weiß, wovon er spricht. „Ich bin sehr froh, dass die Seele Arche-Passagier geworden ist und unser Wissen und Können damit nicht unter den Tisch fällt“, sagt Wandinger hoffnungsvoll.
Unterstützt wird die Allgäuer-Oberschwäbische Seele von den lokalen Slow-Food-Gruppen im Allgäu und Oberschwaben. Gemeinsame Aktionen mit Bäckereien vor Ort sollen Bekanntheit und Nachfrage für die Seele künftig stärken sowie das traditionelle Lebensmittelhandwerk in den Vordergrund rücken. „Mithilfe dieses weiteren Passagiers können wir fabelhaft deutlich machen, wie stark die Qualitätseinbußen sind, wenn handwerkliche Arbeitsschritte in industrielle Herstellungsweisen und Rationalisierungsprozesse gepresst werden. In den modernen Abläufen der Großbäckereien fehlt es an Zeit, Personal und schlichtweg an Verständnis. Die Seele ist ein ganz tolles Gebäck, welches in verschiedenen Varianten genossen werden kann. Ihre industriell hergestellten Namensvetter reichen an ihren unverwechselbaren Eigengeschmack nicht heran“, erklärt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V.
In Deutschland schützt die „Arche des Geschmacks“ insgesamt 67 Nutztierrassen, Gemüse- und Obstsorten sowie traditionelle Lebensmittel vor dem Vergessen. Die Passagiere werden wieder bekannt gemacht, damit sie nachgefragt, entsprechend hergestellt und verkauft werden. Auf politischer Ebene fordert Slow Food regionale Verarbeitungsstätten wiederaufzubauen und zu fördern.
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